Der Aromareaktor für Espresso und Kaffee
Alles beginnt mit dem Röstvorgang. Dabei entsteht in der einzelnen Kaffeebohne ein teilweise erheblicher Druck, der sie in einen regelrechten Aromareaktor verwandelt – etwa 300 bekannte und noch einmal ebenso viele unbekannte Komponenten sorgen letztendlich über den Wohlgeschmack des Endprodukts. Zudem sorgen die Sorten- und Behandlungsvielfalt, die Mischung, die Lagerung und gewiss auch das Mahlen über die Qualität und letztendlich über den Unterschied zwischen Kaffee und Espresso.
Kaffeegeschichten
Geschichte und Tradition des Kaffees geht viele Jahrhunderte zurück auf die Entdeckung der Kaffeepflanze in ihrer abessinischen Pflanzenheimat Kaffa. Nach Europa kamen die Kaffeebohnen zunächst über Arabien und über Mekka nach Konstantinopel und Kairo, wo sich die Leute über erste Kaffeeschenken angeregt freuen konnten - und erst um 1650 gelangten die allerersten Kaffeesäcke im Gepäck kriegerischer Türken nach Wien, wo der beeindruckende Siegeszug des Kaffees begann.
Die Geschichte der Espressi ist nicht so alt: Um 1900 wollten clevere Mailänder die Kaffeezubereitung beschleunigen – sie drückten das Kaffeewasser schneller und druckvoller durch das Kaffeepulver und füllten das Ergebnis in kleinere Tassen ab. Etwa drei Jahrzehnte danach verbreitete sich diese Zubereitungsart weiter. Um 1930 durften die Italiener unter dem Diktator Mussolini ihre Kaffeebohnen ausschließlich aus dem im Krieg eroberten Abessinien beziehen. Diese Kaffees hatte aber zu viel Gerbsäure, die erst einmal weggeröstet und anschließend mit Dampf weiter gemildert werden musste. Der entstandene Espresso ist bekanntermaßen bekömmlich und bedarf weder Milch noch Sahne - ausgenommen vielleicht als morgendlicher Caffé latte oder als Cappuccino. Denn die beliebte, aromatische Crema – einen feinporigen, hellbraunen Schaum – bekommen die Espressi aus den enthaltenen Kaffeeölen bereits beim druckvollen Durchdampfen binnen 20 bis 30 Sekunden mit. Die Menge an Zucker, die nach Ansicht vieler Kenner jeden Espressogenuss noch aromatischer macht, hat im italienischen Ursprungsland ein bemerkenswertes Nord-Süd-Gefälle: Während es in Mailand lediglich ein Kaffeelöffel ist, sind es in Palermo weitaus größere Mengen Zucker. Aber der Röstvorgang von Espressobohnen ist im Vergleich zu Kaffeebohnen grundsätzlich länger.
Die Röstung: über kurz oder lang
Ob kürzer oder länger: Alles entscheidend ist die Zeit der Röstung. Während Kaffeebohnen in der Rösttrommel etwa 13 Minuten bearbeitet werden, dauert der Röstvorgang der rohen Bohnen für Espressi um die 20 Minuten. So sind Espressobohnen deutlich dunkler. Im Unterschied zu den Kaffeebohnen weisen sie glänzende Oberflächen auf, weil während der Röstung Öle und Fette an der Oberfläche sichtbar werden. Die Röstvorgänge werden beendet, wenn kleine Öl- und Fettanteile sichtbar werden. Längere Röstzeiten führen zu Verdunstungen und hinterlassen dunkle, matte Bohnen. Das Ergebnis kurzer Röstungen sind helle, matte Bohnen. Alles in allem haben die länger gerösteten Espressobohnen weniger Säure, so sind sie magenschonender als Kaffee. Aber es gibt auch Unterschiede im Mahlgrad und im notwendigen Druck.
Die Zubereitung von Espresso & Kaffee: temperiert und druckvoll
Espresso braucht Druck. Er gelingt erst bei einem Druck von 9 bar, mit dem das Kaffeewasser durch das zuvor gepresste Kaffeemehl gepresst wird. Das besonders fein gemahlene Espressopulver wird davor im Sieb der Espressomaschine sehr fest zusammengedrückt. Idealtemperatur hat das Wasser mit 88 bis 94 C. Das Sieb lässt unter dem richtigen Druck und idealer Wassertemperatur die kräftigen Aromaöle durch und der hervorragende Geschmack, das große Aroma und die perfekte Crema eines richtig zubereiteten Espresso entstehen. Kaffee braucht keinen Druck. Außerdem ist eine höhere Wassertemperatur zwischen etwa 92 bis 96 °C notwendig. Espressobohnen werden im Vergleich feiner gemahlen, denn der Wasserkontakt ist kurz – in 20 bis 30 Sekunden Brühvorgang muss die Extraktion der hochwertigen Substanzen gelingen. Länger als 30 Sekunden sollte die Zeit nicht sein, weil sich dann zunehmend Bitterstoffe lösen. Kürzere Zeiten ergeben einen fade schmeckenden Espresso. Bei der Zubereitung von Espresso werden immerhin 24 Prozent der Wirksubstanzen extrahiert, während es bei der Kaffeebereitung lediglich 17 Prozent sind. Hierbei beträgt die Kontaktzeit zum Wasser etwa sechs Minuten. Dadurch wird mehr Koffein extrahiert. Übrigens: Türkischer Mokka enthält das meiste Koffein.
Koffein: mehr oder weniger
Der kräftige Geschmack des Espresso ist kein Zeichen eines vergleichsweise höheren Koffeingehalts. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Aufgrund der Zubereitung weist eine 40 ml Espressotasse 25 bis 30 mg Koffein auf, während die üblichen 125 ml Bohnenkaffee in der Tasse zwischen 75 und 120mg Koffein liefern – es kommt also auf die Genussmenge an. Wer demnach 125 ml Espresso trinkt, konsumiert natürlich mehr Koffein.
Sehr geschmackvoll
Kaffees und Espressi unterscheiden sich deutlich im Geschmack: Espresso ist kräftig, stark und aromatisch. Er hat eine goldbraune Bläschenschicht, die aufgrund des hohen Wasserdrucks entsteht. Filterkaffee hat die Crema nicht. Die Herstellung, die Crema, unterschiedliche Genussmengen, der Koffeingehalt und verschieden ausgeprägten Aromen machen die Unterschiede zwischen Espresso und Filterkaffee aus.